Die Mauer und die Kunst - Lust und Frust im Kunstunterricht der 10.Klassen


"Wir werden die Wände bemalen!" - so lautete die Botschaft, die uns allen einen Riesenschrecken einjagte. So recht wollte sich niemand mit der Idee von Frau Fengler und Herrn Kemp anfreunden. "Nö, ich hab' keinen Bock!" "Sollen die doch die Wände selber bemalen!" "Ich steh da doch nicht mit einem Pinsel in der Kälte rum!" - so lauteten unsere ersten Kommentare.
Als wir uns dann wieder einigermaßen beruhigt hatten, bekamen wir erklärt, dass unsere Bilder im Stil der Aborigines (der Ureinwohner Australiens) oder in dem der Ndebele (Volksstamm in Südafrika) gemalt werden sollten. Wieder war das Entsetzen groß, und die Meckerei fing erneut an. Doch als wir dann die australischen und die afrikanischen Vorlagen sahen, waren fast alle begeistert.
Sofort fingen wir an, Entwürfe zu zeichnen. Zum Schluss hatten wir so viele gute Zeichnungen, dass es zwischen uns zu Streitereien kam, weil  nicht genug Platz auf dem Pavillon war für all die schönen Entwürfe. Wir meisterten auch diese Hürde, beschlossen, einfach mehr Flächen zu bemalen als ursprünglich geplant, beschlossen Teamarbeit. Dennoch hörten die Probleme nicht auf ...


 

Die Ndebele-Gruppe verzweifelte beinahe. Da ihre Bilder fast nur aus Rechtecken, Quadraten und geraden Linien bestanden, mussten sie sehr genau arbeiten. Sie durften sich keine Fehler in der Länge oder in der Größe der einzelnen Bildbestandteile leisten, denn das wäre sofort aufgefallen. Außerdem sollten die einzelnen Flächen auch noch gespiegelt werden. Jeder versuchte, so präzise wie möglich zu arbeiten, denn ein Fehler war nur schwer zu korrigieren: man musste wieder alles abkleben, warten, bis die Farbe trocken war und dann erneut versuchen, sauber zu malen - in der Hoffnung, dass es diesmal klappte.
Bei der Drängelei, die manchmal herrschte, wenn es zur Pause schellte, oder wenn man sich um die Farbe stritt (was leider häufiger passierte),  konnte es auch schon mal vorkommen, dass man geschubst wurde - und dass dadurch ein riesengroßer blauer Klecks auf das sauber gemalte gelbe Dreieck kam. So etwas war natürlich sehr frustrierend! Manche malten dann einfach nicht weiter, weil sie endgültig die Nase voll hatten. Da half nur gutes Zureden oder, dass man das eigene Bild kurz ruhen ließ, um beim anderen mitzumachen und zu helfen.

 

Na ja, wir aus der Aborigine-Gruppe hatten es auch nicht besser. Hinterher haben wir bereut, dass wir nicht der Arbeitsanweisung gefolgt waren und mit dem Raster gemalt haben. Wir dachten, wir hätten ein gutes Augenmaß und könnten unsere Schildkröten, Eidechsen und Schnabeltiere "einfach so" zeichnen. Tja, das Ergebnis war, dass die Schildkröte unterschiedlich große Füße hatte, die Eidechse einen Kopf wie eine Ameise. Das Schnabeltier sah eher aus wie ein Hund. Doch mit vielen Bleistiften, noch mehr Radiergummis und mit viel, viel Geduld gelang es uns, unsere Bilder so zu zeichnen, wie wir es wollten.
Nach diesem Erfolg stand unsere Gruppe aber bald wieder kurz vor dem Ausflippen. Die Aborigine-Kunst zeichnet sich durch viele kleine Punkte aus. So kam es dann, dass unsere Hände bald selber aussahen wie kleine Kunstwerke, denn wir benutzten unsere Finger zum Punkte-Stempeln. Und da man nicht nur eine, sondern mehrere Farben benutzte, sahen unsere Hände bald noch schöner aus als unsere Bilder.
Doch wenn wir jetzt die fertigen Wände sehen, ist das wirklich die beste Entschädigung  für unsere Mühen.
Wir alle hoffen, dass unsere Bilder noch lange so schön und unversehrt bleiben. Hoffentlich beschmiert sie niemand!


Anna Groß

 

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